Dass sich die südenglische Grafschaft Kent bestens für den Campingurlaub mit Reisemobil oder Caravan eignet, hat unser Beitrag über die Grafschaft Kent bereits gezeigt. Aber welche Routen bieten sich an? Hier stellen wir Ihnen einige Highlights entlang der Nordost-Küste von Kent vor, die mit der Isle of Thanet unter anderem einige der schönsten Strände Südenglands beinhalten. Hinzu kommt in historischen Seebädern ein breites Kultur- und Freizeitangebot für die ganze Familie, das Unterhaltung für Jung und Alt bietet. Diese besonders empfehlenswerten Stationen sollten Sie sich nicht entgehen lassen:
Station 1: Sandwich - Understatement als Zierde
Nördlich von Dover liegt in der flachen Küstenlandschaft von Kent ein kleiner Ort mit großer Vergangenheit. Sandwich mit seinen rund 5.000 Einwohnern hat sich seinen mittelalterlichen Charme bewahrt. Gepaart mit eleganter Bescheidenheit findet man hier beschauliche Kleinstadtatmosphäre und großartige Zeugnisse der Geschichte, denn Sandwich war einst der wichtigste Hafen Englands. Schon der Name macht Appetit. Dabei ist das leckere Sandwich beileibe nicht das Einzige, wodurch das Städtchen am River Stour bekannt wurde.
Eine bewegte Geschichte hat in Sandwich ihre Spuren hinterlassen – da werden John Montagu (1718–1792), der 4. Earl of Sandwich, und seine „Erfindung“ zur Randnotiz. Die sich allerdings bis heute auf der ganzen Welt verbreitet hat, ein Sandwich als kleinen Imbiss zwischendurch gibt es beinahe überall. Selbst eine Inselgruppe, die Südlichen Sandwichinseln, wurde nach dem Earl benannt, der zweifelsfrei ein fanatischer Cribbage-Spieler war. Das im 17. Jahrhundert in England entstandene Kartenspiel soll den guten John 1762 derart an den Spieltisch gefesselt haben, dass er keine Zeit hatte, zu speisen. So ließ er sich ein zwischen zwei Brotscheiben eingezwicktes Stück Fleisch bringen und das Sandwich war geboren. Ob er auch das Spiel gewonnen hat, ist nicht überliefert. Jedenfalls lässt sich auf einer Bank an der Flusspromenade stilvoll ein Sandwich aus Sandwich genießen und dabei den sanft dahinschaukelnden Booten auf dem River Stour zusehen.
Die maritime Vergangenheit von Sandwich
Diese Boote wiederum erinnern an die Zeit, als Sandwich durch die Versandung des Hafens noch keine drei Kilometer vom Meer entfernt lag. Ob Sachsen, Normannen oder Dänen – hier in Sandwich betraten alle Seefahrer, Pilger, Invasoren oder Kaufleute erstmals englischen Boden. Denn Sandwich wurde von dem letzten angelsächsischen König, Eduard der Bekenner (1042-1066), zu einem der fünf Häfen auserkoren, die unter dem Namen Cinque Ports in die Geschichte eingegangen sind. Diese erhielten besondere Rechte und Privilegien. Im Gegenzug mussten sie zum Schutz der englischen Küste fertig ausgerüstete und jederzeit angriffsbereite Schiffe bereitstellen. Das stellte praktisch den Beginn der englischen Flotte dar, die später die Weltmeere eroberte. Durch die hübsche Zugbrücke über den Stour hätten sie aber bestimmt nicht gepasst.
Das gilt auch für das Anwesen The Salutation und die Secret Gardens of Sandwich, direkt am Quay gelegen. Der 1912 fertig gestellte Landsitz wurde vom berühmten Architekten Sir Edwin Lutjens und der kongenialen Landschaftsarchitektin Gertrude Jekyll entworfen und kann heute wieder besichtigt werden. Den Besitzern ist es nach Jahren der Restaurierung gelungen, ein luxuriöses Refugium zu schaffen, das den Geist von Lutjens und Jekyll atmet. Sandwich und Understatement? Natürlich! Wo sonst gibt es einen Delikatessen-Laden namens No Name Shop in der No Name Street?
Station 2: Broadstairs – Die Sommerfrische des Charles Dickens
Die charmante Kleinstadt Broadstairs bezaubert mit kleinen Boutique-Läden, traditionellen Ziegelhäusern, Fischerkaten und Fachwerkhäusern. Hierher zog sich Charles Dickens am liebsten zurück, wenn er in Ruhe arbeiten wollte. Sieben schöne Strände ermöglichen außerdem romantische Spaziergänge am Meer zu verträumten Buchten. Das kleinste der drei Seebäder der Isle of Thanet ist bei weitem das Ursprünglichste geblieben. Laute und protzige Amüsement-Meilen und Spielhöllen findet man hier kaum, dafür aber einen herrlichen Blick über die sanft geschwungene Viking Bucht und ihren Pier am Nordende, der noch aus dem 16. Jahrhundert stammt. Charles Dickens kam als 25-jähriger Schriftsteller erstmals 1837 nach Broadstairs. Damals standen seine "The Pickwick Papers" gerade vor der Vollendung. Er verliebte sich schnell in den "gesündesten und frischesten aller Orte", wie er die Stadt nannte.
Die Strände und Buchten von Broadstairs
In Broadstairs gibt es außerdem sieben wunderschöne Strände und Buchten. Zu den schönsten gehört die Botany Bay mit ihren beeindruckenden Kreidefelsen in der Brandung, die schon oft als Filmkulisse gedient hat und die man von idyllischen Postkarten her kennt. Den Namen soll sie bekommen haben, weil sie ein bevorzugtes Schmuggler-Revier war und man all jene, die man mit Diebesgut und Schmugglerware hier erwischte, eine kostenlose Seefahrt nach Australien in die Strafkolonie verschaffte. Heutzutage trifft man keine Piraten und Freibeuter mehr an, dafür jede Menge Fossilienjäger, die bei Ebbe die Strände der Botany Bay auf der Suche nach versteinerten Zeugnissen der Vergangenheit bevölkern. Oder Hobbyfischer, die in den zahlreichen Rock Pools nach leichter Beute Ausschau halten. Auch die ruhige, nördlich gelegene Kingsgate Bay oder im Süden die Louisa Bay locken zu ausgedehnten Strandspaziergängen.
Festivals, Eisdielen und Sehenswürdigkeiten in Broadstairs
In Broadstairs gibt es drei große Festivals in jedem Jahr: Zur Broadstairs Folk Week im August treffen sich hier durchaus berühmte Folk-Musiker aus aller Welt. Das Dickens Festival im Juni ist nicht minder international, geben sich doch Fans und Literaten hier die Hand. Und nicht zuletzt bringt das Food Festival im Oktober angesagte Chefköche, Gourmets und Besucher zusammen, um in entspannter Atmosphäre stilvollen Genuss zu feiern. Wer Lust auf etwas Erfrischendes im Retro-Stil verspürt, sollte in einer der berühmten Eisdielen Broadstairs – oft mit wunderbarem Seeblick – die unterschiedlichen Eissorten probieren.
Zu den Stars unter den Eisdielen gehört das Morelli´s in der Victoria Parade 14, ein italienisches Eiscafé im Retro-Look mit leckeren Eisspezialitäten. Gegründet wurde es bereits 1932, gehört aber immer noch der Morelli-Familie. Betritt man den Eissalon, fühlt man sich sofort in die 1950er und 1960er Jahre zurückversetzt: Die Jukebox trällert Schlager einer längst vergangenen Zeit, ein Springbrunnen plätschert vor sich hin, rosafarbene Kunstleder-Kuschelecken und Resopal-Decken schaffen eine einzigartige Atmosphäre, der man sich nicht entziehen kann. Mit großem Eisbecher samt Papier-Sonnenschirmen und knusprigen Schokoladenraspeln zieht man sich an einen Tisch in der Ecke zurück, überschaut die Viking Bay und träumt den Zeiten nach, als das Leben noch vermeintlich einfach und unkompliziert war.
Auch das Dickens House Museum in der Victoria Parade in Broadstairs sollte jeder besuchen, der irgendwann einmal in seinem Leben von Charles Dickens etwas gelesen oder gehört hat. Es berichtet besonders anschaulich und einfühlsam über die literarischen Verbindungen des Schriftstellers zur Region. Und es befindet sich in jenem Haus, das einst Miss Mary Pearson Strong gehörte, die als Vorlage für Miss Betsey Trotwood in dem Dickens-Roman "David Copperfield" diente.
Station 3: Margate – Seebad-Klassiker mit Kunst-Galerie
Zeitgenössische Kunstgalerien bringen im traditionellen Seebad Margate frischen Wind in die Stadt, historische Theater und Museen werden zu neuem Leben erweckt. Davon profitieren Besucher und Einheimische zugleich. Ein Tipp vorneweg: In der malerischen Altstadt und am lebhaften Hafen von Margate ist in den Sommermonaten kaum ein Parkplatz zu finden. Am besten man stellt sein Wohnmobil auf dem Harold Road Car Park oder dem Trinity Square Car Park am Stadtrand ab. In den Badeorten von Kent gibt es zahlreiche Galerien des 21. Jahrhunderts. Denn der nordöstliche Zipfel von Kent war schon immer sehr international und auch heute liegt hier mehr denn je kreatives Flair in der Luft. Die wunderschönen Landschaften haben beispielsweise den Maler Joseph Mallord William Turner nach Margate gezogen und in der nach ihm benannten Kunstgalerie Turner Contemporary werden herausragende historische und zeitgenössische Werke ausgestellt.
Dabei sind nicht nur die Ausstellungen durchweg sehenswert: Das Gebäude selbst und seine moderne Architektur setzen einen bewussten Kontrast zur Uferpromenade und wirken wie eine Fortsetzung einer vom Meer heranbrausenden Welle. Diese allerdings droht Margate nicht zu verschlingen, sondern hat vielmehr frischen Wind in die historischen Gassen und einst etwas angestaubt wirkenden Viertel gebracht. So ist eine anfangs durchaus skeptische Haltung zu einer modernen Kunstgalerie im traditionellen Seebad einer Begeisterung gewichen, die sich mit dem Haus der Kunst identifiziert.
Ausflug zum Quex Park
Einen Besuch wert sind auch der Quex Park bei Birchington-on-Sea und das dazugehörende Powell-Cotton Museum. Allein das Lebenswerk des Major Percy H. G. Powell-Cotton (1866–1940) gleicht einem Abenteuer. Der Weltreisende, passionierte Jäger, Kunstsammler und Philanthrop hat auf seinem Landsitz ein Museum und einen Park geschaffen, wie es kein zweites Ensemble dieser Art gibt.
Foto: Jörg Berghoff
Station 4: Whitstable – Ferienort für Familien und Gourmets
Die berühmten Austern "Whitstable Oysters" haben wesentlich dazu beigetragen, dass der charmante Hafenort an der Nordküste den Namen "Perle von Kent" erhielt. Heute besitzt die Stadt eine Mischung aus trendig-bürgerlichem Flair mit vielen ausgezeichneten Fischrestaurants, malerischen Gassen und kreativen Geschäften und Boutiquen. Für Gourmets gehört Whitstable seit über 2000 Jahren zu den ersten Adressen, wenn es um Austern geht. Bereits im Mittelalter wurde von hier aus diese Kostbarkeit nach ganz Europa exportiert und im 18. Jahrhundert fand ein reger Bootsverkehr mit London statt als die Krustentiere in der Hauptstadt besonders angesagt waren. Noch heute spielt das Fischereiwesen eine wichtige Rolle und man erlebt am Hafen und auf dem Fisch-Markt authentisches Seemannstreiben. Im jährlich im Juli stattfinden Oyster Festival pilgern dann alle Austern-Fans und jene, die es vielleicht werden wollen, nach Whitstable. Dann gibt es an jeder Ecke Seafood-Spezialitäten vom Feinsten.
Sehenswürdigkeiten und Highlights in Whitstable
Auch wer kein Austern-Liebhaber ist, sollte Whitstable nicht links liegen lassen. Denn hier gilt es, noch andere Sehenswürdigkeiten und highlights zu entdecken. Dazu zählen beispielsweise urgemütliche Pubs, wie der direkt am Kieselstrand gelegene "Old Neptune", sowie spektakuläre Panoramablicke aufs Meer und weite Himmel am Abend, die zum Träumen einladen. Auch das spektakuläre Whitstable Castle aus dem 18. Jahrhundert mit seinem einladenden Park und Garten, das Museum zur Stadtgeschichte und der Entwicklung des Austernfischens und die Boutiquen in der High Street sollte man nicht versäumen. Das Schloss mit Burgcharakter war ursprünglich als Tankerton Towers bekannt und die Türme wirken noch heute trotz der Verzierungen recht wehrhaft. Die einladenden Gärten und alten Bäume um den Eingangsbereich geben dem Ganzen allerdings einen charmanten, beinahe märchenhaften Charakter.
Oder wie wäre es mit einem Spaziergang durch das Wäldchen Blean Woods oder mit einer Radtour auf dem nostalgischen Pfad "Crab and Winkle Way"? Dabei handelt es sich um eine ruhige, etwa 12,5 km lange Strecke, die Whitstable mit Canterbury verbindet. An vielfältigen Aktivitäten herrscht in Whitstable kein Mangel.